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Nazihipster und Pseudohippies

Wird heutzutage über Rechtsextreme geredet, so assoziieren viele diese polititsche Kategorisierung automatisch mit einem bestimmten Aussehen: Viele sehen auch heute noch, wenn von ‚Rechten‘ die Rede ist, Glatzköpfe in Bomberjacken und Springerstiefeln vor ihrem geistigen Auge. Mehr oder weniger solche Figuren, wie man nun bei den letzten ‚Hooligan‘-Demos in Köln, Hannover und Leipzig betrachten konnte. Mit dieser Einschätzung aber irren sich diese unkritischen Linken, und diese Fehleinschätzungen ziehen einen Berg voll Problemen für die Emanzipierte Linke nach sich.

Ganz im Sinne Carl Schmitts habe sich nämlich in der Rechten schon seit langer Zeit andere Strömungen und Strukturen herausgearbeitet, welche sich tatsächlich eher linker Organisationsstrukturen bedienen, die Optik hat sich stark abgewandelt und erinnert eher an die Dresscodes, welche Ottonormalverbraucher von Autonomen und Antifa kennt. Es wurde erfolgreich kopiert – und nun möchte man auch fleißig wiederholen. Dies entspricht zum einen taktischem Vorgehen – zum anderen möchten bestimmt auch Rechtsextreme einmal stylisch aussehen, und immerhin gilt nationalistisch ja in weiten Kreisen als unsexy. Aus diesen Assoziationszusammenhängen möchten diese Taktiker ausbrechen. Wurde z.B. Hiphop früher noch als ‚Negermusik‘ verachet, machen weisse Rechtsextreme inzwischen auch (betont) Rap, und das betont schlecht. Natürlich in Abgrenzung zu dem Hiphop, der im Gegensatz immer noch ‚Negermusik‘ für sie darstellt. Dies ist natürlich dämlich, aber dies ist Rechtsextremen wohl egal. Es geht vermehrt um Attraktivität bei der Mitgliederwerbung und Sendung, und so haben sich auch die Kameraden geöffnet. Durch die Orientierung an linken Bewegungsansätzen und damit verbundenen Erfolgsgeschichten, kopieren die Rechten nun was das Zeug hält. Häuser werden besetzt, Grafittis gesprayt (Casa Pound in Rom) – auch das Verhältnis zu Drogen beispielsweise hat sich verändert.

Diese Änderungen bei der Rechten sollten auch eine Neubewertung linken Selbstverständnisses zur Folge haben: Wenn linke Dresscodes und Strukturen kopiert werden, so am ehesten deswegen, weil hierauf eher Erfolgsmodelle fußten, als bei dem Vorgehen der ‚klassischen‘ Rechtesextremen.

Dies erschwert die Abgrenzung unkritisch eingestellter Menschen zu diesen für sie solcherart ‚getarnten Nationalisten‘ ungemein, wenn sie unsensibel gegenüber Antisemitismus und Antiamerikanismus sind. Oft wurden Phrasen laut in Bezug zu den aktuellen Montagsmahnwachen á la „dort stehen auch bunte Leute mit Dreadlocks und Irokesen herum, also kann es ja nicht so schlimm sein“. Die Tatsache, dass auch Nazis inzwischen nicht mehr so aussehen, wie Stiefelnazis in den 80’er und 90’er Jahren, ist wohl noch nicht bei der großen Masse angekommen. Und sollte es angekommen sein, wird es, wie man an dem Beispiel Montagsmahnwachen sehen kann, gerne verdrängt. Also wähnen sich viele, dich sich solcherart den Querfrontzusammenhängen hingeben, in einer antiimperialistischen Gemeinschaft mit Gleichgesinnten.

Gab es in der Linken schon immer autoritäre, und – gerade unter den Antiimperialisten-, problematische Strömungen, so werden deren Schnittmengen mit Vertretern solcher neurechten Gruppen offensichtlich größer: Solange es gegen Amerika geht, solange es um ‚Israelkritik‘ geht, solange die Bedrohung autochthoner Entwicklung durch äußere Strukturen (FED, CIA, EU, Israel) gefürchtet wird. Auch die Begeisterung und Faszination für den autokratischen aund agressiven Kurs Putins scheint viele autoritäre Linke und Rechte zu einen. Gerade ältere Linke scheinen sich noch in einem Zustand chronischer und bedingungsloser Russophilie zu befinden, ohne zu realisieren, dass sich das politische System änderte und Putin alles andere als ein Vertreter eines milden und gefälligen Staatssozialismus ist, den es in dieser fantastischen Form ohnehin nie gab. Gegenlautende Berichte? Natürlich alles antirussische Propaganda des Westens. Solange es um die Ausbeutung durch als Feinde verortete äußere Strukturen geht, treffen sich verschiedenste Gruppierungen in diesen Querfrontzusammenhängen. Beispiele hierfür können in jüngerer Zeit Aufläufe von Linken und Rechten bei den Pro-Palästinademos im Sommer 2014 sein – oder die oft besprochenen Montagsmahnwachen der ‚Friedensbewegung 2014‘. Bei diesen treffen sich Zinskritiker, Anhänger der Lehren Gesells, Vertreter von Gruppen wie ‚Nein zum heim‘, autoritäre Putinfans und Schwulenhasser mit MdB’s der Linken, wie z.B. Dieter Dehm. Um nur einige zu nennen. Natürlich, und dies ist bedenklich, haben diese Vorgänge innerhalb der Linken keinen Parteiausschluss zur Folge gehabt, obwohl sich Dehm hiermit sogar über interne Beschlüsse hinwegsetzte.

Es gibt in diesem Jahr wahrscheinlich keine für die Querfrontrechten willkommenere Entwicklung, als die inszenierten Montagsmahnwachen aus dem Frühjahr 2014, welche viele Anknüpfungspunkte für diese aufzeigte, einige waren aktiv an der Planung beteiligt. Und nun rufen unter anderem viele Vertreter der Linken zu solcherlei Veranstaltungen auf. Das ‚böse Imperium, soviel ist klar, stellen in jedem Fall die ‚US-Amerikaner‘ und ihre ‚angelsächsischen Verbündeten‘ (ebenso wie die ‚Faschisten in der Ukraine) dar, gegen die die Nazihipster, und ihre neu gewonnenen Freunde ohne Trennschärfe, heftig aufbegehren wollen.